future fashion

zwischen Mikrochips und Ozeanmüll

Oberteile, die aufleuchten, wenn man Angst hat. Kleider, die Seifenblasen in die Luft schicken. Oder Handtaschen, die Twitter-Meldungen zeigen. Hört sich an, als würde man über einen Science Fiction-Film sprechen. Ist aber Gegenwart. - Eine Reportage von Joseph Lanzinger und Shila Rastizadeh

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Was ist „Future Fashion“? Wann bezeichnet man Mode als futuristisch? Wenn sie mehr Technik aufweist als der Star Wars-Droide R2-D2? Oder wenn sie intelligent hergestellt wurde? Ohne Technik ist Kleidung nämlich längst nicht mehr zu denken. Vielleicht ist Mode ja schon lange futuristisch und wir haben nur keinen Blick mehr dafür.

Anouk Wipprecht kommt aus den Niederlanden. Sie arbeitet als Modedesignerin und beschäftigt sich vor allem mit Technologie. Ihre Schnittmuster entwickelt sie nicht mit Stift und Papier, sondern in einem Programm für dreidimensionale Werkstücke. So kann sie ihre Mode mit einem 3D-Drucker ausdrucken und anschließend mit Microchips versehen. Diese Chips programmiert sie dann.


Wenn Mode kommuniziert

Wipprechts Meinung nach ist Mode eine besondere Form des Ausdrucks, die uns – je nachdem – Persönlichkeit, Professionalität oder Gefühle zeigen kann. Warum also nicht in digitalen Zeiten diese Art von Kommunikation nutzen?



In den Kleidern der Designerin sehen Models aus wie Cyborgs. Die Stücke reagieren auf den Nutzer, genauer: auf dessen Blutdruck und Körpertemperatur. Einige leuchten auf. Zum Beispiel wenn man Angst verspürt. So lässt Kleidung die Umgebung wissen, wie man sich fühlt.



Eine andere Art, mit Hilfe von Mode zu kommunizieren, hat das Modelabel „Cutecircuit“ erfunden. Da gibt es T-Shirts, die die Umarmung einer anderen Person simulieren. Anhand einer App werden Daten, wie Wärme und der von einer Umarmung ausgeübte Druck gemessen und anschließend an die Kleidungsstücke übertragen. Ideal für Fernbeziehungen. Denn so kann man die Berührung einer geliebten Person spüren, obwohl sie weit weg ist.



Wem das zu intim ist, kann sich auch Kleider oder Handtaschen kaufen, bei denen LED-Lampen in den Stoff eingewoben sind. Mit einer dazugehörigen App lassen sich soziale Netzwerke, wie Twitter, damit verbinden. So werden Meldungen und Muster direkt am Körper angezeigt.


Wer will Wearables?

Tragbare Technologie, wie zum Beispiel die Apple-Watch, werden „Wearables“ genannt, abgeleitet aus dem englischen „to wear“, was „tragen“ bedeutet. Die Kombination aus Technik, die unser Leben vereinfachen soll, mit Kleidern und Accessoires, die wir ohnehin schon tragen, lässt einen Menschen sehr futuristisch wirken. Aber: Wollen wir das überhaupt?



„Ich bin mir ziemlich sicher das noch viele Wearables entstehen werden“, meint Apple-Mitarbeiter Adem Hancer, B.Sc. Produktion und Automatisierung. „Denn ich glaube, dass alles digitalisiert wird, vor allem in Sachen Gesundheit, Mobilität und Kommunikation. Vieles davon gibt es schon, aber noch sehr unausgereift.“


Kleider und Schuhe aus dem Drucker


Gerade wird auch die Herstellung von Mode revolutioniert. Denn der 3D-Druck ermöglicht schnelle und effiziente Anfertigungen und vor allem maßgeschneiderte.

„3D-Druck ist definitiv ein spannendes Thema, dass uns beschäftigt, jedoch nicht allein um der Technologie willen, es muss auch immer eine Relevanz für den Konsumenten haben“, sagt der Brand Strategy Director von adidas, Alexander Unger. „Uns geht es darum, Produkte besser, zum Beispiel leichter zu machen, um den speziellen Bedürfnissen von Athleten gerecht zu werden. Stichwort: „Designed to purpose“



3-Druck: Im Idealfall bedeutet das auch, dass es dabei wenig bis keinen Ausschuss gibt, also Zero-Waste-Fashion. Denn immer relevanter wird die Nachhaltigkeit eines Kleidungsstückes, vom Ressourcenverbrauch bis zum ökologischen Fußabdruck. Konsumenten möchten wissen, wie Stoffe zusammengesetzt sind, woher sie kommen, wie sie verarbeitet werden und was mit ihnen geschieht.



Nachhaltigkeit

adidas hat da unter dem Namen Futurecraft einige Projekte gestartet, unter anderem mit AMSilk, einer Firma für Biotech. So entstand ein Schuh, dessen Obermaterial aus einer proteinbasierten Faser besteht, die sich am Ende eines Lebenszyklus und nach Zugabe eines speziell dafür entwickelten Enzyms, komplett in Wasser auflösen kann. Man könnte, so heißt es, das Wasser sogar trinken.



Das Wissen, wie ein Kleidungsstück entsteht, rückt mehr und mehr in den Vordergrund. Und von Synergien könnten viele profitieren.


„Stichwort Müllproblem: derzeit treiben schätzungsweise zwei Millionen Tonnen Plastikmüll in unseren Ozeanen“, erklärt Alexander Unger von adidas. „Um das mal greifbarer zu machen: das entspricht in etwa dem 70-fachen Gewicht der gesamten noch verbleibenden Population der Buckelwale“,Mit „Parley for the Oceans“, einer Organisation zum Schutz der Weltmeere, versucht das Unternehmen nun der Verschmutzung durch Plastik entgegen zu wirken. Gemeinsam entwickeln sie Schuhe, die wetigehend aus recycelten Plastikabfällen aus dem Meer bestehen. Auch große Vereine wie der FC Bayern und Real Madrid spielten schon in Jerseys aus diesem Material.



Innovation in der Mode



„Da draußen gibt es unglaublich viele gute Ideen, von denen wir nur sehr wenige wirklich kennen“, meint Unger. „Unter dem Begriff Open Source stellen wir uns die Frage, wie können wir Kreativität fördern, im physischen wie auch im digitalen Raum, um rechtzeitig von diesen Ideen zu hören und davon zu profitieren. Dieses Jahr eröffnen wir in Brooklyn eine Creator Farm. Dort können Kreative einfach mal vorbeischauen, ihre Ideen auf den Tisch werfen oder mit uns an neuen arbeiten, Feedback einsammeln oder sich inspirieren lassen. Open Source ist ein auf Kollaboration basierendes Innovationsmodell. Wir versuchen Ideen zu entwickeln mit Partnern, Athleten, Experten … aber eben auch mit Konsumenten.“



Wir haben demnach als Konsument viel mehr Einfluss, als wir denken. Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass wir in der nächsten Zeit mehr als nur Mode tragen werden, vielleicht ja Gefühlsverstärker, Kommunikationsgeräte oder Müllvermeider.

Fotostrecke:

Joseph Lanzinger

Model:

Johanna


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